Detailkritik an dt. Büchern:

Altes Land, von Dörte Hansen:

Bei Passagen, die in den 2010er-Jahren spielen, schreibt Hansen die Stimme der allwissenden, einfühlenden Erzählerin (also nicht die wörtliche Rede) zu flach umgangssprachlich („weil diese ganze Pressspankacke ihn so ankotzte“, S. 55, „Ihr war es scheißegal“, S. 149, „es nervte aber auch wie Sau“, S. 257).

Ebenso stören mich Bilder, die nicht ganz funktionieren. So etwa über junge Mütter (S. 69):

Sie schoben ihre Kinderwagen wie Kofferkulis, als wären sie Reisende auf einem Flughafen, die dringend ihre Gates erreichen müssen, um nicht die Anschlussflüge zu verpassen.

Wer zu einem Anschlussflug will, hat oft keinen Kofferkuli dabei, denn das Gepäck wurde schon beim ersten Flug ein- und bis zum Zielort durchgecheckt; man trägt also auf dem Gehweg im Transitbereich, zwischen Erst- und Anschlussflug, nur das Handgepäck, wohl ohne Kofferkuli (wenn’s den in der Transitzone überhaupt gibt). (Szenarien, bei denen das Bild funktioniert, sind denkbar, liegen aber weniger nah.)

Oder hier, über Veras Kaffee (S. 83):

…als käme er aus einer Asphaltiermaschine. Wie Teer stand er in den Tassen, die Oberfläche schillernd wie Benzinpfützen.

Asphalt und Teer gehören meines Erachtens nicht (so eng) zusammen, Benzinpfützen kommen auch nicht aus Asphaltiermaschinen.

Befremdlich auch: Der Romanfigur-Name Dirk zum Felde für einen Bauern. Das klingt so anbiedernd wie in Hera Linds Weibernest-Roman Johannes Wohlscheitel für einen adretten Braven und Frau Dr. Kaltwasser für eine kühle Kalte. Peilte Dörte Hansen dieses Niveau an?

Unstimmig zudem (jetzt eine inhaltliche Detailkritik): Ein Medienprofi im Roman wundert sich, dass er Portraitfotos nicht ohne Freigabe veröffentlichen darf. Sehr unrealistisch, das weiß doch jeder, laut Handlung wissen das sogar die ansonsten dümmlichen Portraitierten.

Das Titelbild meiner Ausgabe vereint Kirsche, Pinguin und Star; die Kongregation erklärt, warum der Verlag ein „random house“ ist.

Arztroman, von Kristof Magnusson:

Sprachliche Sprödheiten wie „Einrichtungsgegenstände“, „Kaffeevollautomat“, „nicht unnormale“, „High-End-Nippes“, „geradezu durchgeknallt beliebt“ oder „die ins Umland fahrenden Regionalexpresse“; unschöne Hilfsverb-Ballungen (allein auf S. 63 oben 3x „war“ in drei aufeinanderfolgenden Zeilen, 2x „hatte“ in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen; auf S. 208 2x „weil“ in einem 36-Wörter-Satz).

Ein anständiger Mensch, von Jan Christophersen:

Der Ich-Erzähler betont dräuendes Unheil unangenehm aufdringlich. S. 22:

Ich bin sicher, dass keiner von uns vieren in diesem Augenblick irgendwelche unheilvollen Gedanken hegte ((…)) Was hätten wir auch befürchten sollen? ((…)) Nachträglich mag ich mir zwar ausmalen, dass uns das rötliche Tier mit sorgenvoller Miene entgegenblickte ((…))

S. 63f:

Ich begriff noch nichts Genaues, spürte jedoch ein Gefühl der Bedrohung in mir aufsteigen

Seite 75:

((…)) eine eigenartige Gewissheit in mir, dass ich diesem Druck, den ich ansteigen spürte, nicht mehr lange würde standhalten können. Etwas würde passieren. (Nur was?)

Warum nicht einfach erzählen, was passiert? Statt unheilschwanger anzudeuten? Warum selbst noch auf Seite S. 177 Unheil dramatisieren:

Ich spürte erneut das dräuende Unheil über der Lichtung

Und der saloppe Umgang mit selbstgesammelten Pilzen ist nicht nur untypisch für die Figur, sondern ein zu aufdringliches Tschechowsches Gewehr.

Öfter auch erklärt Jan Christophersens Ich-Erzähler die Dinge zu deutlich, z.B. S. 152 (Kursivierung wie vorgefunden):

((…)) es lag zweifellos auf der Hand, wer als moralischer Sieger aus unserem Streit hervorgegangen war. (Nicht ich.)

Ohne die Klammerbemerkung hätte es mir besser gefallen.

Deutschjüdische Glückskinder, von Michael Wolffsohn:

Häufig stört die etwas nichtlineare Erzählweise, die sich nur vage an der Chronologie orientiert, etwa in den Abschnitten über die Großeltern – anders als die Protagonisten springt die Erzählung zwischen Berlin und Palästina (später Israel) hin und her. Historisches wird teils unverständlich knapp angedeutet (z.B. S. 88 über „1941/42“ und „Oktober 1942“).

Zudem zitiert Wolffsohn über viele Seiten einen gefilmten O-Ton seiner Mutter Thea, der nur knapp anmoderiert und typografisch nicht abgesetzt ist. Auch dieses viele Seiten lange Zitat springt willkürlich erinnernd zwischen den Epochen. Wolffsohn nennt das „Bögen in spätere Zeiten und zu späteren Akteuren schlagen“ (ebf. S. 65), ich nenne es Nicht-Beherrschen des Materials – der Autor hätte es ordnen müssen.

Wolffsohn schreibt ein aufdringliches Deutsch, das sich unentwegt eitel nach vorn drängt: rhetorische Fragen, Witze, bemüht Originelles, abgehangene Phrasen, Platitüden, herbeigesuchte Reime (jeweils keine wörtliche Rede, sondern die Erzählstimme des Autors):

S. 9: Das Wo besagt viel über das Wie, es ändert nichts am Dass.

Ebf. S. 9: An den leidvollen Leidfolgen ihrer Eltern leiden R. und J. noch heute

S. 16: ((…)) streifte seine Jacke ab, wenn er denn eine getragen hatte, denn es war brütend heiß

S. 19: Karls Spritztour sollte auch eine Spritzkur sein

S. 22: Samuels abendländische Nachfahren führten eher – mal besser, mal schlechter – das Wort, manchmal das große.

S. 25: anno dunnemal

S. 26: Entzückt wurde das Portemonnaie gezückt

S. 27: Trotzdem muss Wasser in den vermeintlich guten Wein gegossen werden

S. 35: wie die berühmte Faust aufs Auge

S. 44: der reale Hund war ihr denn doch zu realhündisch

S. 45 ((…)) Crêpes Suzettes goutieren. Gutes goutieren und „am Oli“ residieren.

S. 53: Zwar lebt der Mensch „nicht vom Brot allein“, doch ohne Brot kann er nicht leben.

S. 54: Längst will Deutschland nicht mehr judenrein sein. Längst lässt es Juden rein.

Dt. Übersetzung von Zeiten des Aufruhrs, von Richard Yates:

Klare Falschübersetzung: Das englische Original in der Ausgabe von Vintage Books (dies die Grundlage der deutschen Übersetzung) lautet sinnvoll (Hervorhebung von mir):

And besides, a motel wasn’t the only possibility.

Auf Seite 280 der deutschen DVA-Taschenbuch-Ausgabe steht inhaltlich unpassend:

Und zudem war ein Motel die einzige Möglichkeit.

Also sagt die deutsche Übersetzung inhaltlich das Gegenteil des Originals – es müsste nicht nur bei einer Wort-für-Wort-Prüfung auffallen, sondern auch bei allgemeiner Betrachtung, denn der deutsche Text passt nicht zur Handlung, ein Motel ist dort nicht „die einzige Möglichkeit“.

Im Deutschen gibt es sehr angestrengtes, allzu wörtlich Übersetztes wie „sie verfehlte nie zu bemerken“ oder „außerhalb des Haupterzählflusses seines Lebens“. Das könnte man viel eingängiger, weniger sperrig übertragen.

Inhaltl. Probleme bei Der Anhalter, von Gerwin van der Werf:

  • spielentscheidend im Roman ist ein Leuchtturm, der sich hier von außen per Riegel verschließen lässt, so dass man jemanden einsperren kann – aber warum wollte man einen Leuchtturm von außen verriegeln, er dient ja nicht als Gefängnis oder Stall (der aufdringliche Tramper, der sonst alles erklären kann und muss, sagt auch nichts dazu)
  • der Ich-Erzähler berücksichtigt nicht, dass man das dramatisch leer laufende Handy im vorhandenen Auto aufladen könnte (der Roman spielt ca 2016, in dem Jahr, in dem Verfasser van der Werf selbst durch Island reiste)
  • im Zusammenhang mit einer Schnupftabakdose bekommt die Frau des Ich-Erzählers einen völlig unverständlichen Wutanfall

Helmut-Kohl-Biografie von Hans-Peter Schwarz:

Schwarz verzichtet weitgehend auf sinnlose rhetorische Fragen, banale Verallgemeinerungen und Leersätze. Nur gelegentlich ballen sich Hilfsverben aufdringlich (u.a. 2x „sind“ in einem Satz auf S. 254, 2x „ist“ in einem Satz auf Seite 506, 3x „sind“ in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen auf S. 749; s.a. 3x „auf“ in einem Satz auf S. 360, 3x „für die“ in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen auf S. 543).

Schwarz klingt manchmal pubertär („belämmert“, S. 239, 525, 783; mehrfach „?!“ u.a. S. 239, 240, 2x S. 262, S. 393, 440, 542, 594, 658, 715, 765, 772, 778, 794, 827, 841).

Oft übersetzt Schwarz gängige englische Ausdrücke nicht in gängiges Deutsch: z. B. „respektvoll zu karessieren“, S. 75, „Seniorität“, S. 76, „soziabilen“, S. 83, „Konnexionen“, S. 90, „(un)kontroversiell“, S. 128, 415, 895, „odios“, S. 147, 345, „Zelebrität“, S. 210, „Demandeur“, S. 265, 355, 428, 430, 518, „substantiierbar“, S. 323, „deblockieren“ u.ä. S. 355, 364, „Prolongierung“, S. 392, 420, „Intransigenz“, S. 421, „Septennat“, S. 422, „moribunde“, S. 477, „NSC Kissingers“, S. 508, 553, „Perzeption“, S. 509, „teleologisch“, S. 535, „starken Bias“, S. 544, „jurisdiction“, S. 552, „entriert… insistiert“, S. 568, „politisch deroutiert“, S. 601, „ressentiert“, S. 616, „CEO“, S. 624, „Peripetie“, S. 796, „Prolongierung“, S. 797, 819 oder „Insurrektion“, S. 827.

Schwarz benutzt auch englische Redensarten, als ob es deutsche seien, etwa „nicht in den Karten“, S. 328, „auf dieser Note endet“, S. 674, „am Ende des Tages“, S. 927. Manche gelehrten Ausdrücke erscheinen definitiv zu oft, so v.a. im ersten Hauptteil „Alterskohorte“ (u.a. S. 73, 549) oder „Diadochenkampf“ (u.a. S. 136, S. 651).

Dazu kommen ein paar eindeutige Fehler wie „Thronprätendenden“ (sic, S. 267; auf S. 762 korrekt), „viele Hacken geschlagen“ (sic, S. 565), „mit der Kürzel“ (sic, S. 800) oder „Seinen eigenartigsten Ausdruck findet die Reduktion…“ (sic, S. 465), „wegen lange zurückliegendem Berserkertum“ (sic, S. 930) und ein paar Tippfehler wie „andererseit“ (sic, S. 303), „geplaten“ (sic, S. 811), „Im den Gesprächen“, S. 830. Manchmal schreibt Schwarz „heute“ oder „aus heutiger Sicht“ (u.a. S. 303, 908, 927, 930), wenn er meint „bei Manuskriptabgabe 2011“; das sollte er auch jeweils schreiben, denn Adverbien wie „heute“ lassen sich beim Lesen keinem Zeitpunkt zuordnen.

Erich-Kästner-Biografie von Sven Hanuschek:

Nur gelegentlich schwiemelt es („die Sprache selbst destruiert“, S. 67; „gewissermaßen anthropologischer Pessimismus“ und „Rückbindung an geschichtliche Veränderungen“, S. 129). Aber der Satz des großen, eher eng bedruckten Hanser-Hardcovers (nicht zu verwechseln mit Hanuscheks kurzer 2004er-Kästner-Monografie bei rororo) erschwert die Lektüre:

  • Manchmal gibt es seitenlang keinen Absatz, so etwa auf den Doppelseiten 20/21, 336/337, 350/351 und 376/377 nur einen Absatz und auf den Doppelseiten 70/71, 174/175 und 254/255 nur je zwei Absätze
  • zu selten lockern Hanuschek oder Setzer die langen Kapitel durch Zwischentitel oder Leerzeilen auf, selbst bei harten Themenwechseln innerhalb eines Kapitels
  • selbst ein langes, 12,5zeiliges Kästner-Zitat wird nicht eingerückt und herausgehoben, sondern versinkt unsepariert in der Bleiwüste des Lauftexts, S. 19; ebenso ergeht es knapp 17 Tucholsky-Zeilen auf Seite 161 und rund 44 Zeilen auf Seite 350f

Auch die Form der Quellenangaben irritiert. Teils arbeitet Hanuschek mit hochgestellten Ziffern und Endnoten, teils entstellt er seinen Text mit Kryptischem, oft mehrfach pro Seite wie hier (S. 22):

((…)) sie richtete „das linke Vorderviertel des Schlafzimmers“ (VII: 84) als Frisierecke ein.

Selbst wenn es eine Systematik hat, verblüffen mich auch Quellenangaben und Zitierweisen wie diese auf Seite 158:

Der Titel des Gedichtbandes stand seit März 1930 fest (25.3.1930, MB), Mitte September erhielt Kästner seine Belegexemplare (13.9.2030, MB).

Heinrich Grewents Arbeit und Liebe, von Christoph Peters:

Christoph Peters verzichtet auf Dialoge, bringt lieber indirekte Rede und Konjunktiv wie hier (S. 9):

Sobald er einen Teilbereich durchgesehen hätte, würde er aus den bearbeiteten Unterlagen neue Unterlagen herstellen.

Ich weiß gar nicht, ob Peters hier bewusst spröd textet. Der ganze Satz befremdet, v.a. der „hätte, würde“-Clash.

Noch ein Beispiel zur indirekter Rede und Konjunktiv (S. 42):

Ihr gegenüber würde sie freundlich bleiben ((…)) Frau Saibling konnte sagen, was ja im übrigen ((sic)) den Tatsachen entsprach, er habe zu Kronberg gemußt ((…)) das dauere, er könne deshalb leider nicht selber mit ihr reden, rufe aber schnellstmöglich von unterwegs an

Thomas-Mann-Biografie von Klaus Harpprecht:

Einige Allerweltsbanalitäten oder Kaskaden rhetorischer Fragen z.B. auf S. 151f: darüber, wie Thomas Mann die Neujahrsnacht 1899-1900 verbracht haben könnte, spekuliert Harpprecht eine Seite lang mit mindestens sieben rhetorischen Fragezeichen; S. 294: „Das Leichte wurde Thomas Mann, wie es immer ist, besonders schwer“. Lasch Eingedeutschtes wie „Introduktion“, „Protektorin“ (jeweils mehrfach) oder „revozieren“. Englische und französische Zitate bleiben teils unübersetzt. Mir fiel nur ein einziger Tippfehler auf (einmalig „Katja“ statt „Katia“, nicht in einem Zitat).

Unentwegt platziert er aufdringlich wertende redundante Adjektive und Parenthesen (Beispiel S. 287f: „…des Kaisers schwadronierende Warnung… der Kaiser hatte, taktlos wie so oft, …“; S. 696: „Er fügte dieser nicht ganz zuverlässigen Einsicht eine hellsichtige Beobachtung an: …“; S. 1949: „…puerilen Stolzes… Anflug halbseniler Kraftmeierei“). Seine eigenen Sätze unterbricht Harpprecht laufend mit Haupsatz-Parenthesen wie „…, man weiß es, …“, „…, es versteht sich, …“, „… – wie es unter alten Paaren manchmal ist – …“, „…, wie es nicht anders sein konnte, …“, „…, es konnte nicht anders sein, …“, „…, es wurde erwähnt, …“ oder „…, wir hatten davon gehört, …“.

Dt. Übersetzung Das junge Kairo, von Nagib Machfus:

Die Übersetzung hat mich nicht überzeugt, vgl. Ausdrücke wie

unenthüllbares Geheimnis (S. 61)

er teilte ein Blatt Papier… in zwei Kolumnen (S. 119)

Warum nicht in Spalten? Oder über eine „vorbildliche Ehefrau“ ohne Liebe:

Sie war wie ein Angestellter, der seine Stelle liebt, nicht jedoch seine Arbeit, oder der…

Warum nicht „wie eine Angestellte, die…“?

Dt. Übersetzung Miramar, von Nagib Machfus:

Übersetzerin Wiebke Walther redet wiederholt sehr unschön von „sequestrieren“ und „Sequestration“, zudem von „Lizentiatin“ (S. 135) und von „Gouvernorat“ – ging das nicht anders?

Es gibt auch offenkundige Fehler, etwa „diese mir völlig überraschende Freundschaft“ (S. 163, korrekt „mich“) oder den Whiskey „Dewarts“ (S. 169, S. 190, korrekt „Dewar’s“).

Ein akustisches Missverständnis hat Walther hübsch übersetzt: Gepriesen als „Gewissen der Nation“, versteht der Angesprochene „Gebiss der Nation“, und das setzt sich als Scherz fest (S. 12)

Übersetzungsfehler i.d. Simenon-Biografie von Patrick Marnnham:

Im engl. Original schreibt Marnham (S. 89):

(…) for much of the time he had been in a hôtel de passe with a distant cousin.

In der dt. Übersetzung wird daraus (S. 131):

(…) einen großen Teil der Zeit hatte er mit einem entfernten Vetter in einem Stundenhotel verbracht.

Georges Simenon, „Monsieur 10.000 Frauen“, im Stundenhotel mit einem Vetter? Tatsächlich hat der deutsche Übersetzer Helmut Kossodo hier das englische Wort „cousin“ mit „Vetter“ übertragen. Aber das englische „cousin“ kann auch Cousine/Kusine heißen, und das war sicherlich gemeint – und nicht „Vetter“.

Übersetzungsprobleme bei Der mystische Masseur, von V.S. Naipaul:

Das Pidgin-Englisch der Dialoge kann man so oder so nicht sinnvoll übersetzen. In Naipauls „Ein Haus für Mr. Biswas“ hat Karin Graf es in Normaldeutsch übersetzt. Beim „Masseur“ wird das Pidgin dagegen in ein bizarres Kaputt-Deutsch übertragen, das zu lesen mir schwer fiel:

  • Die Eltern von Suruj nennen sich bei Naipaul immer wieder „Suruj Mooma“ und „Suruj Poopa“. Karin Graf macht daraus „Pappa von Suruj“ und „Mamma von Suruj“. Unschön.
  • Die aufstoßende Tante heißt im Englischen meist „The Great Belcher“. Graf macht daraus „Der Große Rülpser“ – mehrfach missverständlich.
  • Die neureiche Leela redet ein distinguiert-bizarres Spezial-Pidgin. Graf macht daraus z.B.: „Es üst mür zu hoch, warum sie ühm nücht was Dückes an den Kopf werfen tun.“ Unschön.

Dt. Übersetzung von Szenen einer Ehe, Dialogroman von Ingmar Bergman:

Öfter mal wunderte mich die Übersetzung aus dem Schwedischen von Hans-Joachim Mass:

  • „Berufsfrau“ statt berufstätige Frau
  • „Lutschflecke“ statt Knutschflecke ((S. 84))
  • „beschubst“ statt betrogen ((S. 144))
  • „Ich finde solche nachträglichen Erklärungsversuche unerhört gleichgültig“ statt unerhört belanglos/unbedeutend/unwichtig/egal oder statt Mich lassen solche… ((S. 153))
  • „Groteskerie“ ((S. 156))

Riefenstahl. Eine deutsche Karriere, von Jürgen Trimborn:

Er verwechselt „konstatiert“ und „konzediert“ (S. 452). Regelmäßig schreibt Trimborn zu verschachtelt und zu passivisch – nie las ich so viel „wurde“ in einem Buch. Wie leicht hätte man das verbessern können. Nur ein Beispiel: Auf Seite 36 produziert Trimborn in elf Zeilen eines einzigen Absatzes fünfmal die Wörter „wurde“ oder „wurden“, u.a. in dem schwachen Satz:

Die deutsche Hauptstadt, wo unzählige Gastspiele mit in- und ausländischen Tänzern veranstaltet wurden, galt in dieser Zeit als das Zentrum des modernen Tanzes.

Andere enorme wurde-worden-war-Ballungen stehen auf Seite 50 und S. 182. Auf Seite 144 erscheint ein Bandwurmsatz mit 50 Wörtern in sieben Zeilen. Er belegt allein einen Absatz. Ebenfalls einen ganzen Absatz füllt ein 49-Wörter-Satz, sechs Zeilen, auf Seite 405.

Mitunter irritieren unübersichtliche Bezüge und Unschärfen oder übertriebene Erklärungen wie auf Seite 23:

Gemeinsam mit seiner ostpreußischen Frau Ottilie zeugte er siebzehn Kinder.

Warum steht dort „gemeinsam“?

Oder (S. 417):

Der Vertrag, über den beidseitiges Stillschweigen gegenüber Dritten vereinbart wurde…

Warum noch „beidseitiges“ und „gegenüber Dritten“?

Oder (S. 464):

Erstausgaben der internationalen Übersetzungen

Warum „internationalen“?

Mehrfach verbindet Trimborn ein Singular-Hauptwort und ein Plural-Hauptwort mit einem einzigen Verb, das jedoch nicht zugleich im Singular und Plural stehen kann, so dass es falsch wird. Ein Beispiel für die fehlende Numerus-Kongruenz zwischen den Subjekten der nebengeordneten Teilsätze und dem gemeinsamen Prädikat von Seite 266:

….war die Fassade…. umgestaltet und zahlreiche hochrangige Ehrengäste eingeladen worden.“

Und plötzlich war ich Bäuerin, Hg. Ulrike Siegel:

Zum Teil bleiben Fragen offen. Eine Bäuerin sagt zum Beispiel (S. 13):

Zwei Jahre Umstellung liegen nun schon eineinhalb Jahre zurück.

Ich weiß nicht, von welcher Umstellung sie redet. Eine andere (S. 41):

Auch wenn mir natürlich schon manches auffiel, was in der zukünftigen Schwiegerfamilie anders war als bei uns.

Und was? Oder hier (S. 43):

Die gegenseitigen Erwartungen ((…)) brachten uns so manches Mal an den Rand unserer Belastungsfähigkeit.

Worum ging’s da?

Die Beispiele oben verdeutlichen auch: Die Sprache fasziniert nie, teils ist sie schlecht („mein einer Sohn“, S. 51) bis hin zu Schreibfehlern („Spontanität“, sic, S. 55), Sprachfehlern („Nichts nervt mich mehr wie ((sic)) ein ungemütliches Drumherum“, S. 133) und erstaunlicher Logik:

S. 126: Man durfte endlich Kniestrümpfe tragen und barfuß laufen.

S. 152: Alle fünf Geschwister meines Mannes haben sich Frauen aus nördlichen Gefilden geholt ((…)). Die zwei Brüder haben Frauen aus Glücksburg in Schleswig-Holstein und Berlin und die drei Schwestern haben Männer ((sic)) aus ((…))

Einen Hof verlässt man niemals ganz, Hg. Ulrike Siegel:

Sprachlich ist das Buch schlecht, es gibt viele unschöne Konstruktionen wie (S. 12):

Diese sprachlose Verständigung aufgrund unseres wenn auch schon weit zurückliegenden gemeinsamen Lebens und Arbeitens gelang uns ((…))

Gewundert haben mich auch Titel und Untertitel des Bands:

  • „Einen Hof verlässt man niemals ganz“: aber einige vorgestellte Bäuerinnen haben nichts mehr mit dem Hof zu tun
  • „In der Lebensmitte – ein neuer Blick zurück nach vorne“: was meint das eigentlich

Auch das Titelbild meiner Printausgabe befremdet: Es zeigt einen nostalgischen Holzroller – welchen Bezug hat das zu Bäuerinnen in der Lebensmitte?

Italo-Svevo-Biografie von François Bondy, Ragni Maria Gschwend:

Die Sprache ist alles andere als flüssig, mitunter bleiben Bezüge zwischen Pronomina und gemeintem Gegenstand unklar. Ein Beispiel für den Stil (S. 77):

Was Livia bei ihrer Schilderung nämlich verschweigt, ist, daß es sich bei der Hochzeit am 30. Juli 1896 um eine reine Ziviltrauung handelte…

M.E. könnte man das leicht verflüssigen, z.B.:

Livia verschweigt nämlich bei ihrer Schilderung, daß die Hochzeit am 30. Juli 1896 nur eine Ziviltrauung war…

Ich sehe was, was du nicht siehst, von Birgit Vanderbeke:

Vanderbeke schreibt seitenlange gleichförmige Absätze. Die Dialoge gehen wie Brei in den Absätzen auf, jeder Absatz enthält vielfach das Wort „sagte“, auch bei Fragen, dann ohne Fragezeichen. Sie will offenbar betont monoton schreiben. Ihren Sohn nennt die Ich-Erzählerin auf den vorderen Seiten nur „das Kind“ und daran anschließend auch „es“.